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Betreff: Artikel: „Ein halbes Jahr ohne Sauerstoff“

Sehr geehrte Damen und Herren, sehr geehrte Frau Moll,

wir betreiben seit 1989 die erste und immer noch größte Tierschutzstation für Exoten und Wildtiere mit Schwerpunkt Reptilien, vor allem Land- und Wasserschildkröten ,  und befassen uns u. a. auch mit „Mitweltpädagogik“.

Deshalb sehen wir uns gezwungen, gegen den im Betreff benannten Artikel zu protestieren.
Natürlich ist uns klar, dass der Artikel den Zweck hat, die Leserschaft des MM für einen Besuch im Reptilium in Landau zu interessieren.

Aus tierfachlicher Sicht, als auch aus tierschützerischer ,  ist er jedoch höchst bedenklich. Dasselbe gilt für die pädagogische Perspektive, also u. a. auch die Frage, was Eltern, Kinder und Jugendliche aus ihm für Eindrücke und Erkenntnisse gewinnen und wie diese das Bild des Menschen bezüglich Schildkröten beeinflussen. Welche Konsequenzen sich hieraus auch für das Schicksal der leider zahlreichen „Heimschildkröten“, oder den Kinderwunsch nach der Anschaffung derselben ergeben, kann man sich gut vorstellen.

1. Hier wird vermittelt, dass Schildkröten ein halbes Jahr ohne Sauerstoff auskämen, was zu Folge haben kann, dass solche Tiere in luftdichten Behältern u. U. eingesperrt werden und/oder man die hinreichende Belüftung von Terrarien/Aquarien als minder bedeutsam einstufen könnte.

2. Es wird der Eindruck vermittelt, dass man Schildkröten wachrütteln muss – nicht auszudenken, was diese unqualifizierte und brutale Aussage nun für Auswirkungen auf den Umgang von Kindern mit ihren Schildkröten haben wird.

3. Man kann Schildkröten plumpsen lassen – das hält der Panzer aus. Andererseits aber wird vermittelt, dass der Panzer sehr empfindsam sei und die Tiere alles spüren können. Ein Widerspruch, den Kinder nicht einordnen können.

4.) Ein Schildkrötenpanzer müsse geschrubbt werden – mit einer Wurzelbürste, was für die Tiere eine Massage sei, die die Durchblutung fördere. Das ist gelinde gesagt quatsch. Wenn ein Schildkrötenpanzer geschrubbt werden muss, weil er beispielsweise mit Kot verschmiert oder von Algen besiedelt ist, dann vorsichtig und mit einer weichen Zahnbürste.

5. „Genau richtig“ seien neun Grad Celsius Wassertemperatur für wechselwarme Tiere wie diese Sumpfschildkröten. Hier wird der Eindruck vermittelt, dass Wechselwarme es extra kalt bräuchten, dabei ist das Gegenteil der Fall. Wechselwarme, also Poikilotherme oder Ektotherme haben keine eigenen Körpertemperatur wie Säugetiere und Vögel und sind deshalb auf eine (artspezifisch) warme Umgebungstemperatur angewiesen, ohne die kein Stoffwechsel stattfinden kann. Die Leserschaft und deren Kinder wird mit solchen Aussagen der Eindruck vermittelt, dass Schildkröten quasi Polartiere seien und man tunlichst auf eine kalte Umgebungstemperatur achten müsse. Neun Grad Celsius ist eiskalt – es ist unverantwortlich, solche Tiere in so ein kaltes Wasser zu setzen, zumal, wenn man bedenkt, was für eine stressige Prozedur (Wachrütteln, fallen gelassen werden, Wurzelbürste, von Kindern befingert etc.) diese Tiere hinter sich haben. Wie sehr dieser Park bereit dazu ist, sich um die Gunst des Publikums auf Kosten seiner Tiere  derart anzubiedern, ist aus tierhalterischer Sicht unverantwortlich.

Wir machen im Übrigen darauf aufmerksam, dass Starre nichts mit Schlafen oder Ruhen zu tun hat. Jedes wechselwarme Tier verfällt zwangsläufig in Starre, wenn es entsprechend abgekühlt wird, da die Fähigkeit fehlt, die Körpertemperatur selbst zu erzeugen. Deshalb leben die meisten Reptilien und insbesondere Schildkröten in den subtropischen und tropischen Gebieten der Erde. Auch die Emys orbicularis bildet vor allem in trocken-warmen mediterranen Gebieten nennenswerte Populationen und nicht bei uns in Mitteleuropa.

Kein Reptil ist auf Winterstarre angewiesen. In unserer Tierschutzstation (ca. 300 Pfleglinge, auch zwei Emys orbicularis) werden keine Winter simuliert. Anstatt in Kühlschränke zu investieren, sollte in Wärmequellen investiert werden, denn es geht um Reptilien, nicht um Eisbären.

Wir stehen zu Rückfragen  und  Interviews zur Verfügung und bitten darum, dieses Schreiben, das als Offener Brief eine Streuung über Internet erfahren wird, auch als Leserbrief aufzufassen und abzudrucken.

Mit freundlichen Grüßen

AKT- AKTION KONSEQUENTER TIERSCHUTZ

gemeinnützige Gesellschaft mbH